nun zu ihrer Anfrage, den Krugstempel "Roisdorf 13" mit dem ungewöhnlichen
Löwenwappen betreffend:
Dass es sich um einen Fall von Produktpiraterie handelt, ist natürlich
nicht
auszuschließen, doch ergäbe es m.E. wenig Sinn, das Zeichen
auf diese Weise
nachzuahmen: Der umlaufende Text S.ALFTER.S hätte allein genügt,
um die Krüge
als Nachahmung und damit als unrechtmäßig zu erweisen. Wenn
man schon derart
dreist täuschen wollte, so hätte man auch die beiden Salme
übernehmen können und
nicht ein anderes Wappenbild einzufügen brauchen.
Auf jeden Fall dürfte der Krug mit dem Löwenwappen in die
von Ihnen vermutete
Zeit einzuordnen sein, genauer in die Jahre zwischen 1826 und ca. 1835.
So
schließt sich der Stempel an die von Chr. F. Harless angeregte
und unter
Brunnenpächter F. Faulenbach 1826 umgesetzte Neugestaltung des
Stempels an, die
statt des GHN ein reduziertes Wappen der Eigentümer des Mineralbrunnens,
der
Fürsten von Salm-Reifferscheidt-Dyck zeigt: Zwei Salme, die für
das Geschlecht
derer von Salm stehen sowie drei Rauten, die auf deren Residenz Schloss
Dyck
verweisen (Roisdorf 6 a-c. Übrigens dürfte die "No. 7" im
Faulenbachstempel auf
dessen Lager in der Kölner Sternengasse Nr. 7 hinweisen). Der
Löwen-Stempel muss
aber vor der Änderung der Umschrift in "Roisdorf bei Coeln" Pächter
entstanden
sein, die dem Pächter Gerhard von Carnap (ab ca. 1835) zuzuordnen
ist (Roisdorf
7 a und b).
Nun ist gerade diese Zeit recht spärlich dokumentiert. Wie lange
der für 1827
als Nachfolger von Faulenbach bezeugte Herr Koch die Brunnenpacht innehatte,
bleibt unklar, ebenso, ob der erstmals 1841 genannte Kölner Weinhändler
H.M.
Hons die Verwaltung des Brunnens im Zuge der Anpachtung durch G. von
Carnap um
1835 übernahm oder ob dies bereits früher bzw. erst später
erfolgte. Da das
Archiv der Fürsten von Salm-Reifferscheidt-Dyck zur Zeit nicht
zugänglich ist,
werden diese Unklarheiten wohl vorerst weiter bestehen bleiben müssen.
Eine Lösung der Frage nach dem ungewöhnlichen Löwen im
fürstlichen Wappen bietet sich
indes an: Die ab dem frühen 12. Jahrhundert nachweisbare ritterliche
Familie der
Herren von Alfter führte als Wappen im goldenen Feld drei rote
Balken, denen ein
silberner, goldgekrönter Löwe bzw. Leopard aufgelegt war.
Durch weibliche
Erbfolge gelangten Schloss und Herrlichkeit Alfter (und als deren Teil
auch der
Quellenort Roisdorf) in der Mitte des 15. Jahrhunderts an die Grafen
von Salm,
Herren zu Reifferscheidt und Dyck. Nach der Erhebung der Grafen in
den
Fürstenstand durch den preußischen König Friedrich
Wilhelm III. im Jahre 1816
wurde der Alfter Löwe im fürstlichen Wappen weitergeführt.
Heute bildet das alte
Löwenwappen der Herrlichkeit das offizielle Alfterer Gemeindewappen
(siehe als
Anlage alftwapp.jpg). Es ist somit
anzunehmen, dass man in den späten 1820er
oder frühen 1830er Jahren kurzzeitig den - wenngleich heraldisch
vereinfachten -
Alfterer Löwen statt der Salme und Rauten als Stempelzeichen wählte,
mithin ein
stärker den Ort der Quelle verweisendes Element des fürstlichen
Wappens.
Nun war jedoch die Alfterer Herrlichkeit bereits durch die französische
Verwaltung aufgelöst worden, gehörte Roisdorf seit dem Frieden
von Luneville
1801 offiziell zur neueingerichteten Mairie de Waldorf bzw. nach der
Übernahme
der Rheinlande durch Preußen zur Bürgermeisterei Waldorf/
Bornheim.
Brunnenpächter von Carnap war Bürgermeister von Waldorf und
Präsident des
preußischen Provinziallandtags. Er änderte die Stempelumschrift
in "Roisdorf bei
Coeln" und setzte zudem mit Großbuchstaben "RHEIN-PREUSSEN" hinzu.
Ihm ist es
also durchaus zuzumuten, dass er den Löwen als anachronistischen
Hinweis auf die
nicht mehr existierende Herrlichkeit Alfter empfand und ihn wieder
durch die
Salme und Rauten der Fürsten Salm ersetzte.
Übrigens wählte Wilhelm Custor, Brunnenpächter ab 1876,
für seine Stempel
(Roisdorf 11 a-c) eine Version des fürstlich Salmschen Wappens,
das den Alfterer
Löwen nicht enthält. Das von Ihnen als Löwe angesprochene
Element ist in
Wirklichkeit ein Greif. Eine Abbildung aus der Festschrift zur Erinnerung
an das
25-jährige Bestehen der Brunnenverwaltung durch Custor (custor.jpg)
füge ich
bei..
Soweit meine Überlegungen zu dem Löwen-Stempel, die, zugegeben,
nicht über
Mutmaßungen und Wahrscheinlichkeiten hinauskommen, von denen
ich aber hoffe,
dass Sie Ihnen ein wenig hilfreich sein werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ernst Gierlich
Heimatfreunde Roisdorf